Berg- und Talfahrt • Meine Stillzeit
- Anne
- 24. Feb. 2019
- 5 Min. Lesezeit
Svea ist nun 14 Monate alt. 14 Monate stille ich sie schon. Als sie noch klitzeklein war, fiel es ihr schwer zu trinken. Nach ihrer Geburt hat Svea eine kleine Spritze mit dem abgepumpten Kollostrum bekommen von ihrem Papi, während ich in einer Not-OP naja gerettet wurde. Ich verlor 2 Liter Blut und das Bewusstsein, während die Plazenta, Sveas Plazenta, operativ entfernt wurde. Diese Zeit war für Thomas die schwerste. Für mich war es ein Wimpernschlag und sie war weg. Es passierte alles sehr schnell, ich konnte nicht darüber nachdenken, was geschah.

Unsere Stillhistorie wurde anfangs leicht erschüttert. Direkt nach der Geburt nahmen Arzt und Hebamme Svea kurz aus dem Zimmer. Sie musste kurz stimuliert werden, nichts dramatisches, kein Abpumpen von Flüssigkeit aus der Röhre. Dennoch, sie wurde mir weg genommen, Ich weiß noch, sie schrie nicht, was mir Angst machte. Hatte ich das doch so oft in Filmen oder Serien wie Unser Baby gesehen... Als sie mir wieder auf den Bauch gelegt wurde, durfte ich das auch nur kurz genießen. Ich musste noch die Nachgeburt gebären. Und es tat sich einfach nix. Keine Wehen, keine Plazenta. Nach knapp einer Stunde und einigen Blutpressungen passierte nix und die diensthabende Hebamme strahlte nicht mehr diese Ruhe aus, die sie mir davor vermittelte. Deshalb wurde Svea ihrem Papi übergeben, während mir das OP-Team im Schnelldurchlauf erklärte, was gleich mit mir passieren würde. Meine Beine und Arme wurden fixiert, dann ging es los mit der Narkose. Das nächste was ich wahrnahm, war die Schwester, die mir sagte, ich müsse ganz langsam machen. Alles wäre gut gegangen.
Dieses Szenario habe ich bis vor wenigen Tagen geschickt verdrängt. Ich glaube, es ist schuld daran, dass Svea sich die ersten 2 Tage schwer getan hat, an meiner Brust zu trinken.
Den ersten Tag hat sie komplett verschlafen. Sie wollte gar nichts trinken, was wohl nicht unüblich sein soll.
Am zweiten Tag wurden auch die Dienst habenden Hebammen nervös. Svea hatte stark abgenommen. War sie mit 3100g geboren, wog sie jetzt nur noch 2700g. Sie wurde mir oft angelegt. Doch sie verstand es nicht zu saugen. Die lutschte nur. Und es kam zwar etwas aus der Brust, aber das sah noch stark nach Kollostrum aus, nicht aber nach Muttermilch. Also wurde Svea am 2. Abend ihres Daseins mit Ersatznahrung gefüttert. Wieder von Papi.
Was ich sagte: Das war toll, denn ich traute es mir weder zu, noch war ich körperlich dazu in der Lage gewesen. Was ich dachte: Ein Schlag ins Gesicht für mich, ich fühlte mich nicht im Stande mein Baby zu füttern oder es zu umsorgen. Mir wurde Eisen gegen den Blutmangel per Injektion gespritzt, allerdings ohne den Zugang zu erneuern, weshalb die Kanüle aus dem Zugang hüpfte und so das Eisen direkt intravenös in meinen Arm gelangte. Es fühlte sich an, als wäre mir Eis in den Arm gespritzt worden. Ich konnte meinen Arm eine Woche lang nicht bewegen, es war unglaublich hart für mich.

Ich denke all dies führte dazu, dass meine Milch arg zu kämpfen hatte, um überhaupt ordentlich produziert zu werden und fließen zu können. Das Fehlen meines Kindes kurz nach der Geburt an Mamis Körper, die OP, der Eisenmangel, Sveas Saugreflex, der noch intensiviert werden musste.
Erst in der Nacht von Tag 2 auf Tag 3, kurz vor Schichtwechsel der Hebammen, half mir eine Hebamme, die zuvor in Afrika jungen Müttern half anzulegen. Sie strahlte unglaublich viel Ruhe und Kraft aus. Sie sicherte mir zu, dass es klappen würde, dass mein Baby trinken könne und würde. Und als ich schon aufgeben wollte, saugte Svea an meiner Brust , liegend auf der rechten Seite und half mir endlich die kostbare Milch zu produzieren.
Ein paar Tage später, aus dem Krankenhaus entlassen und zu Hause angekommen, im Wochenbett, packte uns das Gegenteil. Kohlblätter und regelmäßige Stillsessions halfen, den unglaublichen Druck der frisch einschießenden Milch zu lindern. Ich weiß noch, mit der rechten Brust hatte Svea öfter zu kämpfen, da dort aus gleich 3 Minilöchern die Milch nur so rausschoss. So war das gefühlt bis in den 8. oder 9. Monat. Ab da an pendelte es sich ein. Weniger stillen am Tag, höchstens als Zwischenmahlzeit, einmal zum Einschlafen und dann nachts.
Und jetzt? Jetzt stille ich Svea nur noch wenig zum Einschlafen. Ihr Papi bringt sie meist ins Bett, liest ihr noch eine Geschichte vor, singt ihr etwas vor und lässt Svea dabei mit Nele spielen, dem Nilpferd, dass hübsch leuchtet und dabei Einschlaflieder singt. Ich übernehme die Nachtschicht. Wir sind sehr zusammengeschweißt durch das Stillen. Natürlich schon deshalb, weil ich ihre Momie bin, das ist ja klar. Doch das Stillen ist so ein schöner Moment, nur für uns Zwei. Ich genieße ihre Nähe. Wenn sie nachts munter wird, kann ich sie schnell beruhigen. Und doch habe ich ab und an Zweifel. Ich kann manchmal nicht schlafen, weil Sveas Appetit so doll ist. So unstillbar. Es gibt Nächte, da schläft sie durch oder wird höchstens zweimal kurz wach. Und dann, und das häuft sich in letzter Zeit leider, wird Svea 6-10 Mal wach. Oder sie trinkt und nuckelt über eine Stunde an einer Brust, gräbt ihre Hände tief in meine Haut und schmiegt sich ganz eng an mich, so dass ich gequält schlafe, mich nicht drehen kann, mich verlege oder eben gar nicht schlafe. Und das legt sich so stark auf meine Laune. In der Arbeit schaffe ich es irgendwie noch normal zu sein, motiviert. Der Kaffee macht mich munter, irgendwann. Doch nachmittags bin ich müde, gereizt und schnell sauer bei ganz kleinen Sachen.
Das möchte ich nicht. Ich möchte auch so kurz vor der Hochzeit nicht sauer sein. Nicht auf meine kleine Maus, nicht auf meinen Verlobten. Auf keinen.
Unser Plan war es deshalb, nach dem Besuch meiner Mama dieses Wochenende mit dem Abstillen nachts zu beginnen. Wir haben es nicht mal 2 Stunden am ersten Abend ausgehalten. Svea hat sich so eingeschrien und ließ sich durch nichts beruhigen. Kein Singen, kein Wippen, kein Schaukeln, kein Tragen, kein Zureden, kein Tätscheln, kein Kuscheln half. Also was nun?

Wir warten auf jeden Fall diesen Sprung ab, der jetzt noch einige Tage andauern soll. Und ich möchte Svea gern besser darauf vorbereiten und ihr sagen, dass Mamis Milch langsam weniger wird. Wir werden versuchen, ihr langsam zu zeigen, wie sie auch ohne Milch schlafen kann. Vor allem Thomas wird sich öfters nachts kümmern. Bei mir riecht sie die Milch zu sehr. Und irgendwann gebe ich auch auf, wenn ich mein Baby so weinen sehe. Ob Hormone oder gesunder Menschenverstand. Kein Kind der Welt sollte so lang weinen, solang die Eltern wissen, was ihm fehlt und wie man es schnell und gut trösten kann.
Ich weiß also, wie ich es zukünftig nicht machen möchte. Und vielleicht regelt ja auch die Zeit und innere Einstellung alles, wer weiß. Dafür, dass ich nur bis zu einem halben Jahr stillen wollte und Mamis, die das darüber hinaus taten, immer nie verstehen konnte, sie merkwürdig fand, dafür klappt es jetzt wirklich extrem lang und gut. Und ganz eigentlich, wenn ich ganz tief in mich gehe, genieße ich es auch immer noch.
Ich liebe das Stillen. Das kann ich jetzt ganz ehrlich zugeben. Und ich lebe erstmal damit, es auch zu unangenehmen Tageszeiten zu lieben.
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